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Pavel Richter: Das Urheberrecht muss stärker ein Beteiligungsrecht werden

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Das deutsche Urheberrecht steht abermals vor einer großen Reform, dem 3. Korb. Nahezu alle Beobachter, Verbände, die Politik, Kreativschaffende, die Wissenschaft und die Industrie sind sich einig, dass viel Handlungsbedarf besteht. Je nach Interessenslage wird er jedoch an unterschiedlichen Stellen gesehen. iRights.info hat nun eine Vielzahl von Experten gefragt, wo sie die größten Probleme im Urheberrecht sehen. Jeden Tag wird eine neue Expertenmeinung veröffentlicht. Heute: Pavel Richter.

Defizitär am gegenwärtigen Urheberrecht ist, dass Zugänge zu Freiem Wissen und Formen kollaborativer Werkschöpfung weitgehend auf alternativen Modellen aufbauen müssen. So verdankt die Online-Enzyklopädie Wikipedia ihren Erfolg nicht zuletzt dem Lizenz-Baukasten der Creative Commons, bei denen Autoren frei darüber entscheiden, ob und wie sie ihre Werke durch andere verbreiten und ggfs. verändern lassen wollen. Bei Wikipedia lautet die Festlegung, dass jeder das zeitlich und räumlich unbeschränkte Recht erhält, die Texte für beliebige (auch kommerzielle!) Zwecke zu nutzen, sofern die Lizenzbedingungen (Autorennennung, Lizenznennung, Quellnennung und Freiheit abgeleiteter Werke) eingehalten werden.

Zwar sind CC-Lizenzen durchaus mit nationalem Urheberrecht vereinbar, stellen aber keineswegs die „Standardeinstellung“ für jene Werke dar, an deren Nutzung und Verbreitung alle Bürger ein legitimes Interesse anmelden dürfen. So gehören staatliche Werke nicht unter den Schutz des Urheberrechts. Hat die Öffentlichkeit bereits für ihre Erstellung gezahlt, sollte sie darüber auch frei verfügen dürfen. Die Erfahrungen aus den USA dazu sind überaus positiv, insbesondere auch für kommerzielle Nachnutzer wie Zeitungen und Verlage. Eine „lebendige Demokratie“, so wie sie gegenwärtig in den politischen Debatten gerne beschworen wird, bedarf auch einer veränderten informationellen Ethik.

Doch zu viel Potenzial für eine Befreiung der existierenden Wissensbestände bleibt bislang ungenutzt. Was den Dritten Korb angeht, ist Wikimedia Deutschland deshalb nicht übermäßig optimistisch: Zwar sind wir froh darüber, dass (mit Ausnahme des Phantoms Presseverlegerleistungsschutzrecht) auf absehbare Zeit eine Kriminalisierung Freier Inhalte nicht auf der Agenda steht, andererseits vermissen wir aber den politischen Willen, die strukturellen Verkrustungen des UrhG aufzubrechen.

Längerfristig sollte uns daran gelegen sein, das Urheberrecht stärker als Beteiligungs- und weniger als Verbotsrecht auszugestalten. Ein positives Signal könnte die zukünftige Behandlung von verwaisten Werken erbringen: Ist ein aktueller Rechteinhaber auf eine eindeutige und automatisierbare Weise nicht ermittelbar, sollte eine – auch kommerzielle – Nachnutzung möglich werden. In diesem Zusammenhang befürworten wir den Aufbau einer frei zugänglichen Registrierungsdatenbank für Werke mit aktuellen Rechteinhabern, um ein klareres Bild über verwaiste Werke zu erlangen und Nachnutzern Rechtssicherheit zu verschaffen.

Zur Person

Pavel Richter (*1969) studierte wissenschaftliche Politik, Geschichte und Öffentliches Recht in Freiburg im Breisgau, Ottawa und Bielefeld. Er arbeitete 12 Jahre für Beratungsunternehmen im In- und Ausland mit den Schwerpunkten Projektmanagement und SAP, er ist seit 2009 Geschäftsführer des Vereins Wikimedia Deutschland e.V.


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